Malediven Strand

stress-391657_1280Ich lebe meinen Traum – ich habe den ganz großen Schritt aus dem Hamsterrad gewagt!

 

In immer mehr Zeitschriften, Magazinen, Büchern, Podcasts etc. lese und höre ich von Menschen, meist mittleren Alters, die aus verschiedensten Gründen entschieden hatten, ihr „normales“ Leben komplett zu verändern, indem sie ihren (meist einengenden, mehr und mehr ungeliebten) Beruf „schmissen“ und nun Zuhause oder an irgendeinem exotischen Ort dieser Welt ihren Traum lebten. Fernab vom grauen Alltag all Jener, die sich morgens aus dem Bett, in Auto oder U-Bahn quälen, um ihrem stressigen Job nachzugehen – keine Zeit für Hobbys, erschlagen von Emails, Verpflichtungen, und, und, und….. Nur grauer, zäher Alltagsbrei. Wir Alle kennen das.

Bei mir erweckten all diese Berichte über diese „Lebensabenteurer“ Bewunderung und – ja -auch ein wenig Neid. Die waren vielleicht mutig! Ach, wie gerne würde ich das auch tun!

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In dererlei Berichten liest man dann immer, wie glücklich diese Menschen nun sind, wie erfüllt. Dass ihnen diese Entscheidung zwar nicht leicht gefallen sei – aber sie nun wirklich IHR Leben leben. Ohne Kompromisse. Okay, sie haben nun zwar weniger Geld, dafür sind sie aber zeitreich!

Im Frühjahr 2016 entschied ich mich – als Resultat eines sehr langen Prozesses – aus meiner überaus sicheren und auch recht gut bezahlten Beamtentätigkeit „auszusteigen“, d.h. in meinem Fall,  einen „Diensturlaub ohne Bezüge“ ab dem 1. August 2016 zu beantragen. Mein Beamtenverhältnis zu kündigen kam für mich nicht in Frage, da ich in dem Fall all meine Pensionsansprüche von 28 Jahren Vollzeitbeschäftigung verloren hätte….Mein Plan war und ist jedoch, nicht in den normalen Schuldienst zurückzukehren.

Seither lebe ich meinen Traum – ich arbeite freiberuflich als Glückslehrerin. Ich kann mir meine Zeit mehr oder weniger selbst einteilen. Ich kann zuhause arbeiten, es mir an meinem eigenen Arbeitsplatz gemütlich machen, mir eine schöne Arbeitsatmosphäre schaffen. Das, was ich tue, nämlich Menschen zu vermitteln, wie sie sich selbst glücklich machen können, empfinde ich als überaus befriedigend und sinnvoll. An manchen Tagen kann ich mein Glück gar nicht fassen!

Soweit so gut.

ABER es gibt auch eine Schattenseite dieses beruflichen Ausstiegs – und von der liest man so gut wie nie.

Schatten? Bei dem sonnigen Leben?

Ja.

Durchaus.

Zuallererst ist da wohl die berufliche Identität.

Welche hat man denn jetzt überhaupt?

Sind nicht nur Rentner und „Hausfrauen“ vormittags unterwegs??? (Ich weiß, das mit den Hausfrauen klingt blöd und überholt…., fühlt sich aber so an!)

Wozu „ist man da“?

Woher bekommt man Erfolgserlebnisse?

Bestätigung?

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Dann die Tagesstruktur.

Hat man überhaupt eine? Und wenn ja, welche?

Ich war „vorher“ in meinem Beruf stark durchgetaktet. Ich konnte zwar immer schon einen Teil meiner Arbeit von Zuhause aus erledigen – aber ich hatte auch immer ein volles Programm.

Zu Beginn meiner Freiberuflichkeit dachte ich, ich hätte nun alle Zeit der Welt, könnte nun endlich das machen, für das ich „im alten Leben“ nie Zeit fand – Lesen (es stapelten sich soooo viele ungelesene Bücher, die nur auf mich warteten!), Malen (wollte ich immer schon mal!), Tanzen (wollte ich ebenfalls schon immer mal!), Freunde treffen (die haben bloß nach wie vor wenig Zeit, weil sie ja immer noch arbeiten….) und – ach, was weiß ich!!!

Was ich davon tatsächlich gemacht habe? So gut wie nichts. Ich wollte zwar ständig – aber es gab immer irgendwie anders zu tun…. 1000 unwichtige Sachen. So sieht´s aus.

Ich muss sagen, eine Struktur zu finden, hat mich am meisten irritiert. Und jetzt erst, nach fast zwei Jahren, finde ich so ganz laaangsam meinen Rhythmus.

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Vorher bin ich fast untergegangen im Meer der Nichtigkeiten…. Spülmaschine aus- und einräumen, Einkaufen, mit dem Hund Gassi gehen, Wäsche waschen, aufräumen, Sport treiben – und abends dann die Frage:

“Was habe ich heute eigentlich Sinnvolles zustande gebracht???“

Nicht, dass all diese Haushaltssachen nicht irgendwie sinnvoll wären -nein, dass sind sie durchaus – ABER was habe ich erreicht?

Was kann ich meinem Mann am Abend berichten?

Worüber kann ich mich noch mit meinen Freundinnen, die alle berufstätig sind, unterhalten????

Wie sieht mich die Gesellschaft?

Was trage ich bei der Frage nach dem Beruf in einem Formular ein?

 

Gut. Ich habe ja noch einen Beruf. Ich bin jetzt Glückslehrerin. Mittlerweile trage ich diese Berufsbezeichnung auch ganz frech in solch ein Formular ein. So steht´s ja schließlich auch auf meinem Bogen vom Finanzamt, Berufsbezeichnung: Glückslehrerin. (Der zuständige Finanzbeamte hat bestimmt verständnislos den Kopf geschüttelt….)

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Und dann sind da noch die fehlenden Kollegen.

Bei mir waren es eine ganze Menge! Dazu kamen noch etwa 200 Schüler pro Schuljahr. Viele, viele Kontakte.

Und nun?

An manchen Tagen rede ich manchmal nur mit den Angestellten in „meinem“ Supermarkt.  Und mit meinem Mann. Klar.

Der Hund ist mit seinen Redebeiträgen etwas einsilbig. Dafür aber ein echt guter Zuhörer!

Auch hier bin ich froh, dass ich einmal in der Woche ehrenamtlich Teil eines Teams bin – ich arbeite im Hospiz St. Peter in Oldenburg. Da habe ich – zum Glück! – wieder Kollegen. Nicht so viele wie vorher in der Schule – aber dafür umso nettere! Ich gehe nach wie vor zu „Dienstbesprechungen“, erhalte Protokolle von Sitzungen und nehme alljährlich an einer Weihnachtsfeier teil. Das ist auch sehr gut so!!!

Wäre ich nur zuhause, würde ich wohl langsam vereinsamen…. Das ist bestimmt nicht bei jedem so, aber ich für meine Person liebe den Umgang mit anderen Menschen jeglichen Alters!

Das „seinen Traum leben“ ist also nicht nur traumhaft – kann es aber mit der Zeit immer mehr werden.

Ich habe mir inzwischen meinen eigenen Arbeitsplan zugelegt, habe feste „Bürozeiten“, die ich auch streng einhalte.

Ich habe in diesem Zusammenhang auch mal von einer Frau gehört, die sich jedes Mal erst die Jacke angezogen hat und ums Haus herumgegangen ist, um so die Arbeitszeit von der Freizeit deutlich zu trennen. Es gibt also Lösungen!

Da war doch noch etwas???

Ach ja – das Geld!

Auch daran musste ich mich zunächst gewöhnen…. von dem Gehalt einer vollzeitberuflichen Oberstudienrätin auf NULL zu rutschen ist nicht ganz so einfach… wo ich sonst locker in ein Geschäft gegangen bin und mir, wenn mir etwas gefiel, sofort zugegriffen habe, sage ich mir inzwischen „NEIN“. Auch beim Supermarkt schaue ich doch mehr auf die Preise.

Ich gebe zu, es fiel mir schwer. Wirklich. Aber inzwischen ist auch das vorbei. Ich kann diesem neuen Kontostand sogar etwas Positives abgewinnen (logisch, schließlich bin ich ja Glückslehrerin!): ich kann mir zwar nur noch selten „etwas leisten“ -wenn ich dies dann aber tue, genieße ich es umso mehr! Außerdem bin ich ja nun ZEITREICH! Und das ist doch wirklich mehr wert als  ein Kleiderschrank, der aus allen Nähten platzt!!!

An dieser Stelle  muss ich aber noch etwas eingestehen: ich hoffe natürlich, dass meine neue Karriere als Glückslehrerin auch bald mehr schnöden Mammon einbringt… 😉

 

Ich denke nur, man sollte ruhig VORHER von diesen schattigen Aspekten einer solchen Veränderung erfahren – dann wird man nicht so sehr davon überrollt….!

Ich für meinen Teil beginne so langsam, mich in diesem freien, zeitreichen Leben einzufinden. Ich male sogar inzwischen alle 14 Tage in einem richtigen Atelier! Aber so ganz angekommen bin ich noch nicht! Die (ungelesenen) Bücher stapeln sich nach wie vor um mich herum….

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